Einkommensgrenze beim Elterngeld diskriminiert

Seit dem 01.09.2021 gilt eine neue Einkommensgrenze beim Elterngeld für Paare. Lag sie bis September 2021 noch bei 500.000 Euro pro Jahr für Paare und bei jährlich 250.000 Euro für Alleinerziehende, liegt sie jetzt bei 300.000 Euro pro Jahr für Paare. Für Alleinerziehende ist die Grenze gleich geblieben. Michael Tell, Gründer der Elterngeldberatung elterngeld.net, fordert die Abschaffung dieser Einkommensgrenzen. Er sagt: „Die Einkommensgrenze beim Elterngeld ist diskriminierend.“

Tell zufolge richtet sich die Reduzierung der Einkommensgrenze bei Ehepaaren gegen das ursprüngliche Hauptziel des Elterngeldes. Das Elterngeld war eingeführt worden, um dem betreuenden Elternteil einen finanziellen Schonraum ohne Abhängigkeit vom Partner/von der Partnerin zu gewähren. Mit der neuen Einkommensgrenze würden laut Tell insbesondere Frauen jetzt wieder in die Abhängigkeit ihres Partners gebracht werden. 

Elterngeld als Schonraum

2006 führte die Bundesregierung das Elterngeld bewusst ohne Einkommensgrenzen ein. Als Einkommensersatzleistung in Abhängigkeit vom Erwerbseinkommen sollte das Elterngeld die finanzielle Lücke junger Familien im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes schließen. Da es damals wie heute insbesondere die Frauen sind, die nach der Geburt des Kindes zu Hause bleiben, bedeutet dieser finanzielle Ausgleich eine wirtschaftliche Selbstständigkeit innerhalb ihrer Partnerschaft. „Zudem besteht durch die weitgehende Kompensation des Einkommens erstmalig auch eine wirkliche Wahlfreiheit, nämlich die Möglichkeit, auf das höhere der beiden elterlichen Einkommen zu verzichten,“ schlussfolgerte 2006 Caren Marks, Mitglied des Bundestages seit 2002 und 2008 bis 2013 Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Mitglied im SPD-Fraktionsvorstand, am Tag der ersten Beratung zur Einführung des Elterngeldes im Bundestag. Während es in den ersten Jahren nach der Einführung des Elterngeldes noch keine Einkommensgrenze gab, wurde diese 2011 eingeführt und jetzt nochmals verschärft wurde. 

Die Einkommensgrenze diskriminiert

Mit seinem Team berät Michael Tell  tagtäglich zahlreichen jungen Eltern oder solchen, die kurz vor der Entbindung stehen. Viele seiner Kundinnen und Kunden „fühlen sich diskriminiert“, wie er sagt. Nicht selten geraten wieder in erster Linie Frauen in die Abhängigkeit ihres Partners, wie ein Beispiel aus seiner Praxis zeigt. Sie ist Rechtsanwältin und war bisher immer finanziell unabhängig. Nach der Geburt des gemeinsamen Kindes aber gelangte sie in die Abhängigkeit ihres Partner. Ihr Mann, Mitgesellschafter eines Familienunternehmens, hat ein Jahreseinkommen mit einem in Höhe von 300.000 Euro.

Die Rechtsanwältin rechnete aufgrund ihres bisherigen Einkommens mit monatlich ungefähr 1.700 Euro Elterngeld. Ein Betrag, der sie finanziell hätte unabhängig sein lassen. Durch die Einführung der neuen Einkommensgrenze steht ihr jetzt aber kein Elterngeld mehr zu. „Ein Jahreseinkommen von 300.000 Euro ist viel, aber es ist ausschließlich das Einkommen des Mannes. Je nach dem wie das Paar aufgestellt ist, ist die Frau jetzt abhängig. Die Einführung der Einkommensgrenze entspricht somit einem Hauptziel des Elterngeldes: der Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des Partners mit dem geringeren Einkommen. In diesem Fall die Rechtsanwältin,“ kritisiert Tell.

Bundesregierung muss Einkommensgrenze überdenken

In einem anderen Fall hat die Einführung der Einkommensgrenze dazu geführt, dass sich ein junges Paar die Elternzeit nicht mehr leisten konnte. Tells Kunden arbeitet als Koch in einem Hotel. Die Partnerin seines Kunden ist Softwareentwicklerin. Neben ihrem Studium hatte sie eine internetbasierte Plattform entwickelt. Diese konnte sie 2020 für etwas über 300.000 Euro verkaufen. Das Paar hat das Geld in eine Wohnung investiert. Nun sind sie schwanger. Beide möchten sich die Betreuung des Kindes partnerschaftlich teilen und haben daher jeweils sieben Monate Elternzeit und dementsprechend auch Elterngeld beantragten. Sie rechneten mit jeweils 1.500 Euro.

Beide erhielten von der Elterngeldstelle einen Ablehnungsbescheid. Aufgrund des Verkaufs der Plattform im Vorjahr lagen sie über der Einkommensgrenze. Da das Geld für die Plattform in der Wohnung steckt, können sie sich eine Elternzeit ohne Einkommen nicht leisten. Sie beschließen, ihre Elternzeit mit sofortiger Wirkung zu beenden. Beide wollen wieder in den Job zurück. Leider lehnen aber beide Arbeitgeber die vorzeitige Rückkehr ab. Ein Recht, das dem Arbeitgebenden zusteht. Ein grundsätzliche Recht auf eine frühzeitige Rückkehr in den Beruf gibt es nicht, da die Elternzeit vor der Geburt des Kindes für 24 Monate verpflichtend eingereicht werden muss. Gleichzeitig kann das Elterngeld aber erst nach der Geburt des Kindes beantragt werden.

Tell hatte 2021 eine Petition eingereicht, die es aber leider nicht in die Anhörung geschafft hat. Der unermüdliche Verfechter für ein gerechtes Elterngeld für alle, bleibt aber an dem Thema dran. „Ein Jahreseinkommen von 300.000 ist sehr hoch. Die Senkung der Einkommensgrenze nachvollziehbar,“ gibt der Spezialist für Elterngeld zu. „Nichtsdestotrotz entspricht es nicht einem der ursprünglichen Hauptziele, die zur Einführung des Elterngeldes 2007 geführt haben. Die Senkung sollte daher nochmals überdacht werden. Will der Staat Geld sparen, gibt es sicherlich noch andere Lösungen.“ 

 Bildnachweis: Georgia Maciel von Pexels

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