Unterwegs zuhause

Ich treffe Elke in Singapur, wo ich zur Zeit lebe. Wir sind zum Essen verabredet und unsere Freunde haben Elke „im Schlepptau“. Sie ist ihr Granny Au-Pair – oder wie die Freunde sie vorstellen: die Deutschlehrerin ihres Sohnes. Klar, dass ich darüber mehr wissen will. Wie ist sie auf die Idee gekommen? Warum macht sie das? Welche Erfahrungen hat sie damit gemacht? 

Gesagt getan. Wir treffen uns zu einem Ausflug an den Strand und verbinden das Schöne mit einer intensiven Befragung meinerseits. 

Einmal Weltenbummlerin, immer Weltenbummlerin

Elke ist eine echte Weltenbummlerin. Schon mit 27 Jahren hat die heute 72-Jährige das erste Mal alles verkauft und ist aufgebrochen auf eine Reise rund um die Welt. Sie wollte auf dem Landweg von Griechenland, wo sie sich mit einem Bekannten verabredet hatte, durch Asien nach Australien reisen. Aus den geplanten sechs Monaten sind vier Jahre geworden. Aus der Bekanntschaft eine Liebesbeziehung. Immer mal wieder haben beide für ein paar Monate in einem Land pausiert, um Geld zu verdienen.

Dann ging es weiter. „Es war eine unglaubliche Erfahrung. Wir sind damals auf der offenen Ladefläche eines LKWs durch ausgetrocknete Flussbetten über die Nordroute durch Afghanistan gereist. Haben die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt noch gesehen. Weiter durch Pakistan, Indien, Nepal, Bangladesch, Burma über Land bis nach Singapur.und Australien. Von dort aus dann ein halbes Jahr durch die Südsee, in Südamerika bis nach Feuerland und wieder nordwärts in 11 Monaten bis nach Mexico und schließlich Californien. Ohne Internet oder Handy. Ein Mal im Jahr, jeweils zu Weihnachten, haben wir unsere Eltern angerufen.“

Ein Leben lang auf Reisen

Nach dieser Reise war es um Elke geschehen. Die Wanderlust hatte sie gepackt, und sie ist seither nie mehr richtig sesshaft geworden. „Ich liebe es, ohne Rückflugticket zu reisen. Mich einfach treiben „und es fließen“ zu lassen. Es gibt keine bessere Art und Weise, ein Land und seine Menschen zu erleben.“ Zwischendurch war sie zwar immer wieder in Deutschland, aber lange gehalten hat es sie dort nie. Auf Mallorca hat Elke vier Jahre gelebt und beim Umbau einer 350 Jahre alten Finca geholfen sowie als Übersetzerin ihr Geld verdient, weitere vier Jahre in Kapstadt leitete sie ein „exclusive guesthouse“ an der False Bay, und während ihrer sechs Jahre in Florida war sie bei einer Einrichtung, die eine delfingestützte Therapie für Kinder mit Behinderung anbietet.

„Mein Umfeld war immer besorgt, dass ich meinen Lebensunterhalt nicht würde verdienen können. Aber ich habe immer wieder eine Anstellung gefunden“, berichtet die Weltenbummlerin. Nur ein einziges Mal fragte ein potentieller Arbeitgeber sie, was sie denn während der vierjährigen „Lücke“ zwischen 27 und 31 Jahren gemacht habe. Dass sie um die Welt gereist sei, kommentierte er mit: „Haben Sie einen Beleg dafür? Es kann ja auch durchaus sein, dass Sie im Gefängnis gewesen sind.“ Die meisten Arbeitgebenden fanden ihren Lebenslauf eher spannend und haben sie genau deshalb eingestellt. So auch die Internationale Schule Schloss Salem. Ihre letzte Festanstellung vor der Rente. Sie ist der Schule zwar treu geblieben, aber arbeitet dort nur noch während der Sommermonate als DaF-Lehrerin in der Summerschool. Und genießt es, auch in Deutschland in einem internationalen Umfeld und mehrsprachig arbeiten zu können.

Unterwegs als Granny-Aupair

Kurz vor ihrer Verrentung war es dann wieder da. Das Fernweh. Aber auch Elke weiß, dass sie nicht jünger wird. Sie wusste auch, dass ihre Rente keine großen Sprünge zulassen würde. Also hat sie überlegt. Hat sich mit anderen besprochen. Hat gegoogelt und ist schließlich auf die Seite der Granny Au-Pair Organisation gestoßen. „Ich bin zwar so gar nicht der Omi-Typ. Also keine Omi, mit der man kochen, backen, basteln kann. Was ich aber kann, ist den Kindern die deutsche Sprache näher bringen,“ sagt Elke. „Aber auch solche Grannys werden gesucht.“ Kurzerhand legte Elke ein Profil auf der Online-Plattform von „granny-aupair.com“ an und machte sich mit dem Finger auf der Landkarte auf die Suche, nach einem Ort, an den sie schon immer mal einige Zeit verbringen wollte. 

Ihr erster Einsatz führte Elke in die französischen Cevennen. Hier lebte sie bei einer Mutter, Anwältin für internationales Recht, und ihren zwei Söhnen in einem kleinen abgeschiedenen Dorf in der Auvergne. Die Mutter, eigentlich Pariserin aber mit Wurzeln in der Auvergne, möchte den Kindern das Leben auf dem Land ermöglichen. Der Vater lebt job-bedingt  in Lyon. „Immer mal wieder ist die Mutter über das Wochenende zu ihrem Mann gefahren. Ich hatte dann die Kinder ganz für mich und wir haben das genossen. Wir haben kleine Ausflüge in die harsche Natur gemacht, die Tiere versorgt, und ja, auch gekocht und Pizza gebacken, und dabei spielerisch Deutsch gelernt“, erzählt Elke. „Ganz anders als bei der Familie, bei der ich in den Emiraten war. „Hier konnte ich keine eigenen Beziehung zu den Kindern aufbauen. Immer war die Mutter präsent und damit dazwischen.“ 

Aus Erfahrung „gelassen“

Eine spannende Erfahrung war es dennoch und sie ist, nach ihren eigenen Worten, an dieser, aber auch an den Erfahrungen mit den anderen Familien, gewachsen. „Es ist immer eine sehr feine Linie, wenn man längere Zeit in einer Familie lebt. Auf der einen Seite weiß man, dass man nur kurz da ist und will sich nicht einmischen. Auf der anderen Seite ist es aber manchmal auch durchaus schwierig, sich dabei nicht selbst zu verleugnen. Ich habe eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit den Familien entwickelt, was es in aller Regel einfacher macht. Aber leider nicht immer“, resümiert Elke.

Die zehn Wochen in der Scheich Familie, die in einem riesigen Familienverband 40 Kilometer von der nächsten Stadt mitten in der Wüste lebt, war dabei eine der intensivsten Erfahrungen. Sie hatte die Familie, wie die meisten anderen Familien auch, vorab in München getroffen und man hatte sich auf die Aufgaben geeinigt. Elke sollte den Kindern, die dort die Deutsche Internationale Schule besuchen, deutsche Werte und Traditionen vermitteln. „Mein ganz persönliches Highlight war es dann auch, als der Kleine auf einer Autofahrt voller Inbrunst “Laterne, Laterne“ gesungen hat,“ schwärmt Elke und hat dieses stolze Leuchten derjenigen in den Augen, die Kindern etwas mit auf den Weg geben konnten. 

Traumziel: Asien

Da Asien es Elke schon seit ihrem ersten Besuch in den 70er Jahren sehr angetan hatte, China damals aber für Touristen nicht wirklich offen war, entschied sie sich 2018 für Shanghai. Hier arbeitete sie für eine deutsche Familie. Beide Eltern stammen aus China und haben in München studiert. Ihr Sohn besucht eine deutsche Schule. Elkes Aufgabe ist es, ihn bei seinen Hausaufgaben zu unterstützen und sein Deutsch zu perfektionieren.

Aus ihrem Aufenthalt mit der Familie ist eine freundschaftliche Beziehung  erwachsen. Egal wo auf der Welt Elke sich gerade befindet, den Sohn der Familie, wie auch die Kinder aus anderen Familien, bei denen sie als Granny-Aupair gearbeitet hat, unterrichtet sie ein bis zwei Mal wöchentlich online. Vor knapp zwei Jahren ist die Familie von Shanghai nach Singapur gezogen und Elke hat die Chance genutzt, wieder als Granny Au-Pair für sie zu arbeiten. „Singapur wollte ich nach 40 Jahren wiedersehen. Es passt also alles. Als Aupair werden alle meine Ausgaben übernommen und ich kann mir gleichzeitig diese interessante Stadt anschauen. Eine schöne Abwechslung zu dem derzeitigen Corona-Wahnsinn.“

„Ich mache weiter, bis es nicht mehr geht.“

Elke hat inzwischen fast 100 Länder dieser Erde bereist und auch 2022 will sie noch mindestens drei Mal für einige Wochen als Granny-Aupair unterwegs sein. Sie wird ihre Familie in Frankreich nochmal besuchen und dann stehen noch Aufenthalte in Arizona und wieder in Singapur an. „Ich will das noch so lange wie möglich machen. Noch fühle ich mich jung. Ich bin jetzt 72, aber ich glaube, dass ich das locker noch drei bis vier Jahre machen kann. Ich finde es sehr belebend, mir zu überlegen, wo ich schon immer mal hinwollte und dann auf der Landkarte Familien zu suchen,“ sagt Elke und fügt hinzu: „Ich finde es auch ganz schön offen, vertrauensvoll und mutig von den Familien, jemanden so nah in die Familie hinein- und an ihre Kinder heranzulassen!“

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